Fast täglich bemitleidet die deutsche Öffentlichkeit die ukrainische Bevölkerung für ihr schlimmes Schicksal im Dauerkrieg gegen Russland – und nicht nur die. Denn inzwischen sieht die europäische Mittelmacht Deutschland mit ihrem Interesse an Frieden und internationaler Ordnung auch sich selbst als Leidtragenden der jüngsten Wendung in diesem Krieg. Und die erleidet Schäden an viel Edlerem und Höherem als so schnöden Dingen wie Leib und Leben: Deutsche und andere europäische Politiker müssen nämlich erleben, dass der Macht- und Politikwechsel in Washington ihren kriegerischen Einsatz ins Abseits laufen lässt: Sie waren und sind nach wie vor bereit, die Ukraine mit Mann und Maus dafür zu verschleißen, dass die EU zu einer Kontinentalmacht aufwächst, die jeden konkurrierenden Machtanspruch Russlands in ihrem weiten Umkreis zurückweisen kann. Dafür haben sie den Heldentod von ein paar Hunderttausend Ukrainern subventioniert und viele schöne Euro-Milliarden und gute Waffen geopfert. Die erweisen sich nun nicht mehr als Investitionen in die goldene Zukunft einer europäischen Weltmacht, sondern womöglich als vertaner Aufwand: Trumps Amerika verliert das Interesse an diesem Krieg und zerstört damit einstweilen die wunderbare Perspektive Deutsch-Europas, unter amerikanischer Führung Russland als Rivalen zu entmachten und sich als kontinentale Vormacht zu etablieren. Wie bedauerlich!
Aber tüchtige europäische Führungskräfte geben deswegen doch nicht klein bei! Sie halten an ihrem Unvereinbarkeitsbeschluss gegen Russland fest und versuchen aus den widrigen Bedingungen, die Trump setzt, das Beste für ihre Bekämpfung der Atommacht im Osten zu machen.
Das Regiment übers Volk haben sie ja. Ihm sagen sie die Opfer an, die es bringen muss, damit die Macht ihrer Nation nicht zum Opfer der neuen Weltlage wird.
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Mit Blick auf die beiden laufenden Dauerkriege in Europa und im Nahen Osten die betroffenen Völker für ihr schlimmes Schicksal zu bemitleiden, ist guter öffentlicher Brauch: in Bezug auf die ukrainische Bevölkerung sowieso schon seit dem 24. Februar 2022; aber auch die Gazabevölkerung wird in deutschen Medien inzwischen echt bedauert, manchmal sogar ohne die prompte Erinnerung an den Hamas-Überfall am 7. Oktober, mit dem für die Begutachter die Geschichte schließlich begonnen hat.